Geschichte des Wettbewerbs bis 2000
Der Wettbewerb zur Auslobung der 100 besten Plakate des Jahres wurde im Jahre 1966 in der DDR ins Leben gerufen, um dem Plakat als Kunstwerk eine Plattform zu geben, ein Forum zu initiieren, das herausragende Arbeiten würdigt, öffentlich macht und nachwuchsfördernd für dieses Genre der Gebrauchsgrafik wirkt. Es wurden zahlreiche Plakate entworfen, gedruckt, plakatiert und auch gebraucht, doch die Resonanz bei Kunstkritik und Publikum war vergleichsweise gering. Schon 1958, als erstmalig gebrauchsgrafische Arbeiten in der 4. Deutschen Kunstausstellung in Dresden gezeigt wurden, äußerte sich Klaus Wittkugel über den gleichberechtigten Stand, den die Gebrauchsgrafik und damit auch das Plakat neben der bildenden Kunst einnähme. Klaus Wittkugel bekam in Hans Baltzer, dem damaligen Vorsitzenden der Zentralen Sektionsleitung Gebrauchsgrafik im Verband Bildende Künstler (VBK) einen Mitstreiter in Sachen Plakatwettbewerb. Andere Anregungen, einen solchen Wettbewerb zu begründen, kamen aus dem Museum für Deutsche Geschichte, wo Hellmut Rademacher in der Plakatsammlung und Peterpaul Weiß als künstlerischer Leiter tätig waren.
Die Idee wurde geboren, einen jährlichen Plakatwettbewerb zu veranstalten, der Preise vergibt, die prämierten Einsendungen in einer Ausstellung und Publikation veröffentlicht und alle eingereichten Plakate zur Bewahrung und Nutzung in den Fundus des Museums für Deutsche Geschichte übergibt. Der äußere Rahmen war damit geschaffen – das Ministerium für Kultur und der VBK zeichneten verantwortlich als Veranstalter. Ort der ersten Juryhandlung und der Ausstellung war das Museum für Deutsche Geschichte in Berlin.
Die zeitliche Begrenzung des Wettbewerbs auf ein Kalenderjahr wurde erst 1970 durchgesetzt. Die ersten Wettbewerbe betrafen einen längeren Zeitraum. Die erste Auswahl erfasste Arbeiten aus der Zeit zwischen dem 1.1.1965 und dem 31.5.1966. Der Jury gehörten damals an: als Vorsitzender Hans Baltzer, als stellvertretende Vorsitzende Klaus Wittkugel und Peterpaul Weiß, die Gebrauchsgrafiker Werner Klemke, Paul Rosié, Herbert Prüget, Siegfried Kraft, Horst Wendt, Dietrich Kaufmann, als Vertreter des Ministeriums für Kultur Justus Liebig, des VBK Helmut Obst, die Theoretiker Bernhard Nowak, Fred Tamme, Hellmut Rademacher, sowie Vertreter von Auftraggebern und Druckereien. Wie in der Ausschreibung von Beginn an betont wurde, sollten die künstlerische Qualität, der drucktechnische Standard und die werbliche Komponente bewertet werden. Die Förderung der künstlerischen Qualität des politischen Plakates war eines der Hauptanliegen, das formuliert wurde, denn offenbar bestand eine Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Auftrag und seiner Darstellung im Plakat.
Bei Künstlern und Auftraggebern fand der Wettbewerb große Resonanz. Die Einsendungen belegen dies: es wurden zum ersten Wettbewerb 360 Arbeiten gezählt. Im Verlauf der Jahre kamen die Juroren zu der Einschätzung, dass sich die künstlerische Qualität einzelner Plakatgenres spürbar verbessert hätten. Das Ministerium für Kultur setzte beträchtliche Summen für Preise und Auszeichnungen ein, ein Anreiz, der leider nach 1989 nicht weitergeführt werden konnte.
1980 wurde der Wettbewerb umstrukturiert. In den Anfangsjahren hatte man alle eingesandten Plakate ausgestellt, eine wechselnde Zahl als beste Plakate ausgezeichnet und lobende Anerkennungen ausgesprochen. Ab 1973 gab es 20 beste Plakate und eine schwankende Anzahl von lobenden Anerkennungen. Man einigte sich ab 1980, die »100 besten Plakate« zu prämieren und besondere Leistungen mit Preisen und Anerkennungen auszuzeichnen. Auch die Juryarbeit wurde neu organisiert. Eine Kritikerjury bekam den Auftrag, die Plakate der künstlerisch tätigen Jurymitglieder zu bewerten. Damit war das Problem gelöst, dass die Juroren keine Plakate zum Wettbewerb einsenden konnten. Drei Kritikerpreise wurden fortan vergeben.
Die regelmäßig erscheinenden Veröffentlichungen zum Wettbewerb um die besten Plakate – 1966 bis 1979 als Sonderdruck der Zeitschrift »neue werbung«, ab 1980 in Katalogform – geben einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Plakatkunst der DDR und ab 1990 des gesamten Deutschlands. Die jährliche Auswahl wurde beinahe lückenlos dokumentiert, Statistiken beigefügt, die Ausstellungen an verschiedenen Orten gezeigt. Leider waren die Drucksachen zwar gestalterisch überzeugend, aber die Abbildungs- und Druckqualität ließ meistens Wünsche offen. In den Sonderdrucken und Katalogen bis 1989 sind überwiegend Abbildungen in schwarz/weiß zu finden.
Der im Mai 1990 gegründete Verband der Grafik-Designer e.V. (VGD) ergriff 1991 die Initiative und lobte den Wettbewerb zum Jahrgang 1990 erstmals im vereinten Deutschland aus. Eine Jury, paritätisch zusammengesetzt aus Plakatgestaltern der neuen und der alten Bundesländer, wählte aus 306 Einsendungen aus. Vier Jahre später gab es schon 1033 eingereichte Plakate zum Wettbewerb. Die Resonanz des jährlichen Wettbewerbes wuchs nicht nur bei den Plakatgestaltern selbst, sondern auch bei den Besuchern und den Medien. Insbesondere die Fachpresse beschäftigt sich jährlich ausführlich mit dem Plakatwettbewerb. Heute ist der jährliche Wettbewerb eine anerkannte zentrale Institution des aktuellen Plakatschaffens in Deutschland. In den Katalogen zur Ausstellung wird die Geschichte des künstlerisch anspruchsvollen Plakates dokumentiert.
Die DDR-Plakatkunst hatte ihre eigene Spezifik. Sie war geprägt von einem intensiven Lehrer-Schüler-Verhältnis an den Kunsthochschulen, von ganz eigenen und speziellen formalen und künstlerischen Ausdrucksformen, bei denen das malerische und zeichnerische Moment eine enorme Bedeutung hatte. Die Typografie hat gute Traditionen (Leipzig) und spiegelt sich in herausragenden Plakaten wider, ohne neue technische Möglichkeiten ganz außer acht zu lassen. Im Gegensatz dazu hat das fotografisch angelegte Plakat eine geringere Rolle als beispielsweise in Westdeutschland gespielt. Als Ursache dafür sind vor allem Unzulänglichkeiten in der technischen Ausstattung zu nennen. Dass die Plakatgestalter der ehemaligen DDR sich mit ihren formalen, oft innovativen Ausdrucksmitteln, Ideen, ihrem Witz, ihrer zeichnerischen Leichtigkeit und dem ernsthaften Bemühen um adäquate, dem Wesen des Plakates kongruente Gestaltungen, durchaus internationalen Vergleichen stellen konnten, zeigten die Wettbewerbe in Warschau (Polen), Colorado (USA), Mons (Belgien), Lathi (Finnland) und Brno (Tschechien). Künstlerische Handschriften wie die eines Werner Klemke, Klaus Wittkugel, Paul Rosié, Hans Baltzer, Volker Pfüller, Erhard Grüttner, Manfred Bofinger, Helmut Brade u. a. sind so unverwechselbar geworden, haben ihrerseits anregend gewirkt und sind zur Nachahmung empfohlen.
Diese künstlerische Qualität geht ab 1990 nahtlos ein in das Plakatschaffen der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem der Wettbewerb um die 100 besten Plakate des Jahres im vereinten Deutschland durchgeführt wird, haben sich solche anerkannten Künstler wie Uwe Loesch, Holger Matthies, Ott + Stein oder Gunter Rambow jährlich an ihm beteiligt.
(aus dem Archiv des Verbandes der Grafik-Designer e. V., © 1996)